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Ansiedlungsgeschichte Stanischitsch


Ortsname

Das Dorf um das es hier geht heißt Stanischitsch, im Serbischen Stanišić (sprich: Stanischitsch), im Ungarischen Örszállás (sprich: Örsallasch). Es liegt im nördlichen Teil der Batschka, nahe der heutigen ungarischen Staatsgrenze auf heute serbischem Gebiet. Der Name leitet sich möglicherweise von dem einer früheren und untergegangenen Siedlung Örs ab.[1]


[1] Zum Namen siehe Rettig (Rettig 1978: S. 23 u. 25), der seine Überlegungen nicht begründet.


Bewohner 1763

Das Gebiet des untergegangen Dorfes Örs hieß 1658 Stanišić und war als Puszta[1] genutzt. 1740 ist das Prädium[2] Stanišić im Besitz der Somborer Militärschanze, 1762 war es noch immer eine Puszta und diente als staatliche Viehweide. Seit 1763 ließen sich hier immer mehr Serben nieder. Cothmann[3] bestimmte, daß der neue Ort an der Stelle des neuen Prädiums anzulegen sei, an der die Peterwardeiner Straße in die Bajaer und Somborer Straße mündet.[4] Die erste Urbarialliste für Stanischitsch von 1770 weist 106 Haushaltungen aus[5], die von 1772 109 Haushaltungen[6] - in beiden kommen keine deutschen Namen vor.


[1] Eine Betriebseinheit des ehemaligen feudalen Großgrundbesitzes: eine Gruppe von Wohnhäusern und Wirtschaftsgebäuden inmitten ihrer Ländereien. (Der große Brockhaus 1984: Bd. 17, S. 314)
[2] Landgut, öder, unbesiedelter Ort, wo zumeist Südslawen ihre extensive Viehwirtschaft betrieben. (Tafferner 1974: S. 348)
[3] Baron Anton von Cothmann, Hofkammerrat der Ungarischen Hofkammer in Preßburg
[4] (Flach 1953: S. 239f)
[5] (Budapest, Magyar Országos Levéltár 1770)
[6] Urbarium  für Stanischitsch 1772, gedruckt im Ortssippenbuch Bd. 2: (Hutfluss 1996: S. 99–139)


Karte des Dorfes Stanischitsch um 1764

(Aus Kameralmappe für Kruševlje und Stanišic im Hofkammerarchiv, Wien.)

Karte des Dorfes Stanischitsch um 1764


Weitere Siedler um 1785

Als 1783 die erste "Urbarial Ausmessung" stattfand, hat man die Hälfte des Prädiums Sára[1] (sprich: Schara) von Katschmar (Katymár) abgetrennt und Stanischitsch zugeschlagen. Es ergaben sich dadurch 170 "Ansässigkeiten" (ganze Siedlerstellen)[2]. Da die bereits vorhandenen "nicht unierten Raitzen" diese Flächen nicht bewirtschaften konnten, hat die Grundherrschaft in den Folgejahren 20 katholische slowakische Familien, mit dreijähriger Steuerfreiheit, angesiedelt.[3]


[1] Sári-Puszta, heute: Aleksa Šantić
[2] Je nach den Möglichkeiten einer Familie zur Bewirtschaftung wurden viertel, halbe oder ganze Ansässigkeiten vergeben. Eine ganze Ansässigkeit entsprach 36 Joch Ackerland und 22 Tagwerk Wiesen zuzüglich Hausplatz und Garten.
[3] (Budapest, Magyar Országos Levéltár 1790: S. 5)


Deutsche Siedler 1788

Als Ende Dezember 1786 durch Joseph II. die Einstellung der Ansiedlung von Einwanderern verfügt und festgelegt wurde, daß der Kameralverwaltung noch zur Verfügung stehende leere Gründe mit „Nationalisten“, d. h. Inländern, zu besiedeln seien, gab es in Stanischitsch noch keine Deutschen. Die ungarische Statthalterei verfügte im Januar 1787 gegenüber der Somborer Kameraladministration, daß der von Serben bewohnte Kameralort, nach Einverleibung des Prädiums Györgyen, mit inländischen raitzischen und ungarischen Untertanen zu besiedeln sei.[1] Bei „Györgyen“ handelt es sich um das benachbarte Gyurits (sprich: Djuritsch, = Györgypuszta). Die so vorgesehene Maßnahme gelang offenbar nicht, denn es wurden statt Serben und Ungarn "inlandische deutsche Kolonisten katholischer Religion" mit drei Jahren Steuerfreiheit und anderen Begünstigungen angesiedelt.[2] Im Jahre 1787 waren es 198 Familien,[3] Anfang 1788 über 1.000 Deutsche Einwohner.[4]


[1] (Feldtänzer 1990: S. 114)
[2] (Budapest, Magyar Országos Levéltár 1790: S. 5f)
[3] (Wien, Finanz- und Hofkammerarchiv 1793)
[4] (Feldtänzer 1990: S. 114) Die Ausführungen zeigen, daß die durch Rettig (Rettig 1978: S. 25) übernommene Angabe Eimanns (Eimann/Lotz 1965: S. 25), wonach 1786 hundert deutsche Familien angesiedelt wurden, nicht zutrifft. Eimann standen die amtlichen Zahlen des Ansiedlungsrentamtes nicht zur Verfügung (Feldtänzer 1990: S. 111).


Herkunft der Siedler

Als inländische deutsche Kolonisten sind die Siedler nicht unter den im Verlaufe der josephinischen Ansiedlungsperiode[1] ins Land Gekommenen zu suchen. Wie der Abgleich mit den Kirchenbüchern und anderen Quellen benachbarter Orte zeigt, kamen die Zuwanderer aus in früheren Jahren mit Deutschen besiedelten Dörfern, vor allem aus Tschatali (Csátalja), Kolut, Gakowa (Gakovo, Gádor) und Kruschiwl (Kruševlje, Körtés).[2] Es handelt sich um Familien, die schon früher in anderen Orten ansässig waren, deren Kinder und Enkel dort aber ihr Auskommen nicht fanden und die Gelegenheit der Erschließung neuer Siedlungsgründe wahrnahmen. Sie erhielten staatliche Hilfen, doch nicht so weitreichende, wie die direkt aus dem Reich gekommenen Einwanderer.[3] Verwaltungssitz war die nicht weit entfernte, spätere Kreisstadt Sombor, von der aus auch die Besiedlung der Umgebung gesteuert wurde.


[1] Die Ansiedlung unter Joseph II. 1784-1787
[2] Diese Feststellung trifft auch Feldtänzer (Feldtänzer 1990: S. 115), während Rettig (Rettig 1978) zur Herkunft keine und Beljanski (Beljanski 1985: S. 33) gänzlich falsche Angaben macht.
[3] (Feldtänzer 1990: S. 115)


Methode der Besiedlung

Unser Dorf wurde nach der in josephinischer Zeit am häufigsten angewandten Methode besiedelt: man verminderte das bei den serbischen Dorfgründungen - wegen der extensiven Wirtschaftsweise - den Familien reichlich zugeteilte Land und stattete damit neu hinzukommende deutsche Siedler aus, die in oder neben den Serbendörfern ihre Hausplätze erhielten. Der Vergleich des Vertrages mit der Grundherrschaft (des Urbariums) von 1772[1] mit dem von 1797[2] zeigt deutlich die Verminderung der den einzelnen Haushalten zur Verfügung gestellten Acker- und Wiesenflächen. Die Absicht des Kaisers war nicht, deutsche Siedlungen zu schaffen, sondern die aus intensiv bewirtschafteten Gegenden herbeigeholten Kolonisten Musterwirtschaften aufbauen zu lassen, nach denen die ältere slawische Bevölkerung ihre Betriebe umgestalten sollte. Das gelang nicht ohne weiteres. Die Gegensätze und Unterschiede in der Wirtschaftsweise zwangen vielfach zur Trennung der Gemeinden - so auch in Stanischitsch. 1788 bitten die  Almascher (Batschalmasch, Bácsalmás) und Stanischitscher deutschen Kolonisten den Kaiser, sie in Stanischitsch zu vereinigen und die Serben nach Almasch umzusiedeln. Das Gesuch wurde abgelehnt.[3] Doch wurde 1788 die deutsche Siedlung unter dem Namen „Neustanischitz“ vom Serbendorf separiert.[4]


[1] (Lagerort nicht bekannt 1772)
[2] (Lagerort nicht bekannt 1797)
[3] (Wien, Finanz- und Hofkammerarchiv 1788), (Feldtänzer 1990: S. 115)
[4] (Schünemann 1933: S. 309f)


Kirche

Eine eigene katholische Pfarrei und Kirche erhielt Stanischitsch schon 1788. Die heutige katholische Kirche, die mittlerweile in sehr schlechtem Zustand ist, stammt aus dem Jahre 1815 und wurde durch die Patronatsfamilie, die Barone Redl von Rottenhausen und Rasztina, erbaut.[1]


[1] Daten zu Pfarrei und Kirche: (Ordinariatus Colocensis 1942: S. 193). Zur Familie Redl vgl. (Angeli 1992). Dieses Manuskript ist auch zu finden auf http://www.stanisic.net/Chronik_Redl/Chronik_Redl.htm


Wirtschaftliche Situation

Die Stanischitscher inländischen Ansiedler hatten sich an die Somborer Kameraladministration gewandt, um in den Genuß der weitreichenden Begünstigungen zu kommen, die nur für direkt aus dem Reich kommende Kolonisten vorgesehen waren. Das hatten sie nicht erreicht. Für den Hausbau mußten sie selbst aufkommen, doch sollten  sie Vieh, Gerätschaften, Brot- und Saatgetreide erhalten. Früchte gegen Rückerstattung in drei Jahren und Bargeld.[1]

Die Ansiedlungsbedingungen und die Nöte schildern anschaulich zwei Berichte der Kameralverwaltung an die Hofkammer aus dem Jahre 1793: Jede der im Jahre 1787 angesiedelten Familien erhielt 102 fl. (Gulden) und 50 xr. (Kreuzer) zur Herstellung des Hauses sowie Anschaffung zweier Pferde, eines Wagens und eines Pflugs. Nach drei steuerfreien Jahren sollten die Vorschüsse binnen dreier weiterer Jahre getilgt werden. Die Somborer Kameraladministration bestätigte den Bittstellern, daß die von ihnen genossenen Freijahre bis dahin nicht von der Art waren, daß die Siedler hätten Fuß fassen können. Der gerade begonnene erneute Krieg mit den Türken und die daraus sich ergebenden Lasten behinderten die wirtschaftliche Entwicklung. Häufige kriegsbedingte Fuhren beanspruchten und dezimierten das Zugvieh, weshalb die meisten Felder unbestellt blieben. Hinzu kamen noch Mißernten in drei aufeinanderfolgenden Jahren. Die in 1791 besonders gute Ernte drückte dann wiederum die Getreidepreise.[2]

Die Siedler selbst beschrieben ihre Situation etwas drastischer: „diesse 3 Frey Jahre haben wir auf Schanzen und Fuhren zugebracht“. Die Pferde und Wagen, die sie als Erstausstattung für ihre Landwirtschaft erhalten hatten, sind „auf den Schanzen und Fuhren umgestanden und zugrunde gegangen, in Summa 77 Stück...“.[3]

Die Mißernten waren u. a. durch die im Batscher Bezirk aufgetretenen, rätselhaften „unterirdischen Gewässer“ verursacht, von denen auch Eimann berichtet[4]: an die Oberfläche tretendes Grundwasser, das immer wieder weite Gebiete für die Landwirtschaft unbrauchbar machte. Abhilfe brachte ein durch den Ingenieur Joseph von Kiss noch 1787 vollendeter Entwässerungskanal.[5]


[1] (Feldtänzer 1990: S. 115)
[2] (Wien, Finanz- und Hofkammerarchiv 1793)
[3] (Wien, Finanz- und Hofkammerarchiv 1792)
[4] (Eimann/Lotz 1965: S. 80)
[5] Zu den Überschwemmungen und dem Kanalbau siehe (Feldtänzer 1990: S. 208ff) und (Eimann/Lotz 1965: S. 80f)


Fluktuation bei den deutschen Siedlern

Ein Vergleich der Namenslisten von 1788[1] und 1797[2] zeigt, daß sich in den ersten zehn Jahren wenig verändert hat. Dem Wegfall von 23 Familien steht ein Zugang von 30 Namen gegenüber. Berücksichtigt man, daß  sieben der neuen Namen als  Kleinhäusler bezeichnet werden, dann wurde jeder der 23 abgegangen Siedler durch einen anderen ersetzt.

Im Ausweis der Ansiedlungsrückstände von 1802[3]sind 158 Namen genannt, davon sechs ohne Grundstücke und hiervon wiederum zwei ohne Hausbesitz. Letztere sind mit der Bemerkung versehen "in der Krankheit alles verzehrt und zu Grund gegangen dann entlassen". Nur 52 der 158 Namen finden sich auch in der 1797er Liste - 66% der Haushaltungsvorstände sind also verschwunden und durch neue ersetzt. Wir haben es mithin mit einer erheblichen Abwanderung nach Ablauf der drei Freijahre und/oder mit einer Dezimierung durch Hunger und Krankheit zu tun.


[1] (Wien, Finanz- und Hofkammerarchiv 1788)
[2] (Lagerort nicht bekannt 1797)
[3] (Wien, Finanz- und Hofkammerarchiv 1802)

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